Auch wenn das Buch in seiner klassischen Form als Massenprodukt an Bedeutung verliert,
als repräsentatives oder auch einfach nur den Alltag verschönerndes Objekt wird es uns auch weiterhin begleiten.
Es bleibt Symbol für ein Kulturgut, welches die Zivilisation in ihrer derzeitigen Form erst möglich gemacht hat.
Und für die Aufbewahrung von persönlichen Aufzeichnungen und Fotos werden Feingeister und Ästheten auch weiterhin die materielle der elektronischen Form vorziehen.
Für Fotoalben und Tagebücher fertige ich buchkünstlerische Einbände in Handarbeit, wodurch jedes seinen unverwechselbaren Charakter erhält.
Bei meinen Gestaltungen nutze ich die Ästhetik von Naturmaterialien oder traditioneller Tiefdrucktechnik in Verbindung mit der reizvollen Oberfläche von Himalaya-Papieren aus Tibet.
Die Oberflächen der Buchdecken werden mit Lackmischungen veredelt, die ich nach alten Rezepturen selbst herstelle.
Die dabei am meisten verwendeten Naturstoffe Schellack und Sandarak waren über viele Jahrhunderte bevorzugte Substanzen für die Behandlung von Papier- und Holzoberflächen,
bevor sie durch billigere synthetische Stoffe ersetzt wurden.
Die Einbände der von mir angebotenen Buchobjekte sehen durch die Lackierung nicht nur gut aus, sondern fassen sich auch angenehm an und sind besser gegen Gebrauchsspuren geschützt.
das Himalaya-Papier wird nach dem Druckvorgang in der Rollenpresse von der Kupferplatte gelöst
Die Aufdrucke entstehen als Handabzüge auf der Rollenpresse.
Zwischen zwei rotierenden Walzen wird die Druckplatte aus Kupfer mit hohem Druck gegen das Naturpapier gepresst.
Die in den Vertiefungen der Druckplatte befindliche Druckfarbe wird dabei auf die Papieroberfläche transferiert.
Für die Druckformen habe ich Kupferplatten mit selbst entworfenen Motiven geätzt.
Die angewandte Tiefdrucktechnik, Radierung genannt, hat eine jahrhunderte alte Tradition. Ihre Entwicklung ist eng mit den Namen von Künstlern wie Dürer oder Rembrandt verknüpft.
Beim Drucken auf Naturpapier entstehen reizvolle Überlagerungen von Motivstruktur und Einlagerungen in der Papieroberfläche. Hier läßt sich mit vollem Recht von einer Augenweide sprechen.
Sensible Finger können den Druck aber auch ertasten, weil das Motiv mit dem Farbauftrag in die Papieroberfläche eingeprägt wird.
Oft verwende ich für die Gestaltung meiner Einbände gepresste Pflanzenteile.
Deren natürliche Formen und Farben harmonisieren sehr reizvoll mit der Struktur des Naturpapieres.
Die Pflanzenteile werden unter hauchdünnes (und später kaum noch sichtbares) Japanpapier gelegt und mit Schellack versiegelt. Das Aufbringen des Lackes in unterschiedlichen Tönungen und in einfachen grafischen Formen vollenden die Arbeit.
Die Werke der Natur sind nicht zu verbessern und deshalb bevorzuge ich hier eine bewußt zurückhaltende Gestaltung.
Neben dem zeitlos schönen Erscheinungsbild bietet diese Art von Einband auch ein haptisches Erlebnis. Das Erfühlen
und Ertasten der naturnahen Oberfläche gibt ein Gefühl von Wärme und Lebendigkeit.
Für den Bezug der Einbände verwende ich Naturpapier aus Nepal, das sogenannte Himalaya-Papier bzw. Lokta paper. Dieses handgeschöpfte Papier hat
eine sehr lebendige Oberflächenstruktur. Eingeschlossene Insekten und Rindenstücke sowie weiteres organisches Material lassen
jeden Bogen zum Original werden.
Mancher von industriellen Massenprodukten geprägte Zeitgenosse mag dies als Materialfehler mißverstehen.
Aber wer sich den Sinn für naturgegebene Oberflächen bewahrt hat, wird seine Freude an der lebhaften Struktur und am exotischen Reiz dieses Papieres haben.
Rahmen für die Herstellung von Lokta-Papier
©Leena Kultanen
Dieses außergewöhnlich schöne Naturpapier kommt aus dem Hochland Nepals und wird deshalb auch als Himalaya-Papier bezeichnet.
Es wird nach alter Papiermachertradition, die sich bis ins 11. Jahrhundert zurückverfolgen lässt, hergestellt und ist ein handgeschöpftes Büttenpapier.
Die Fasern werden aus der Seidelbast - Pflanze (lat. Daphne Papyrifera) gewonnen, den die Einheimischen "Lokta" nennen. Der Loktabusch wächst in Höhen zwischen 1.500 und 3.000 Metern und wird von Bergvölkern gesammelt. Die Rinde wird vor Ort geschält und für einige Tage zum Trocknen ausgelegt. Gebündelt und verschnürt wird die getrocknete Rinde auf den Rücken von Trägern in 6- bis 8-stündigen Märschen ins Tal getragen, wobei ein Höhenunterschied von bis zu 1.700 Meter überwunden wird.
In der Papierwerkstatt wird die trockene Rinde in einem Gebirgsbach eingeweicht, mehrere Stunden gekocht und mit einem Holzhammer zu einer dünnen Faserschicht breitgeklopft.
Die geklopften Fasern werden auf ein Schöpfsieb gegeben und gleichmäßig über die Siebfläche verteilt. Danach wird der Rahmen im Wasser bewegt, wobei sich der Faserbrei auf dem Gewebe absetzt und einen Papierbogen bildet. Die Siebe werden einzeln zum Trocknen in die Sonne gestellt, bis sich der Bogen abheben läßt.
Es gehört zu den Merkmalen dieser Naturpapiere, daß die Oberfläche durch die Einschlüsse von Rindenteilen und anderem organischen Material belebt wird.
Lokta paper wird in Nepal für die Herstellung von Dokumenten und Urkunden verwendet.
Es hat neben seiner ästhetischen Qualität eine sehr hohe Haltbarkeit, 600 Jahre alte Papierfunde aus Tibet sind noch heute
in lesbarem Zustand.
Hier können sie ein Video über die Herstellung von Lokta-Papier sehen.
"Nepali paper" - ein totgeglaubtes Kulturgut im Aufwind.
Ein Artikel von Dr. Thomas Hoffmann
Papyrus war der wichtigste Beschreibstoff des Altertums. Vor allem in der Antike erfüllte Papyrus eine ähnliche Funktion
wie heute Papier.
Seine Verwendung lässt sich in Ägypten für den Beginn des 3. Jahrtausends v. Chr. nachweisen.
Hergestellt wird der Echte Papyrus aus einer Cyperngras-Sorte, die bis zu 3 Meter hoch werden kann.
Das Mark des Pflanzenstängels wird in bis zu 4 Zentimeter breite Streifen geschnitten, die leicht überlappend
aneinandergelegt werden. Zwei einander kreuzweise überlagernde Schichten dieser Streifen werden zu einem festen Blatt gepresst
und geklopft, das von der Klebekraft des stärkehaltigen Pflanzensafts zusammengehalten wird.
Nach dem Trocknen ist das Blatt gebrauchsfertig. Wegen seiner besonderen Ästhetik wurde Papyrus seit jeher für die Gestaltung
von Bucheinbänden verwendet.
Schellack ist eine Substanz, die aus den Ausscheidungen der Lackschildlaus in Süd- und Südostasien gewonnen wird. Das verfügbare Farbspektrum reicht von gelb bis rotbraun. Durch chemische Behandlung kann Schellack gebleicht werden, wodurch er fast farblos wird. Ich ziehe es vor, zumindest einen leichten Gelbton zu erhalten und in der Kombination mit weiteren Farbtönen sowie durch mit Pflanzenfarben behandelten Papieren als Grundlage reizvolle visuelle Effekte zu erzielen. Daneben macht Schellack die Papiere griffiger und bietet einen guten Schutz gegen vorzeitige Abnutzung.
Sandarak ist ein Naturharz, welches vom Sandarakbaum (einer Koniferenart) gewonnen wird. Es stammt aus Australien oder Afrika. Mit Alkohol und Lärchenterpentin gelöst entsteht ein matt auftrocknender Lack, der völlig transparent ist und zur Veredlung und zum Schutz der Oberflächen von Papier, Holz etc. dient. In Europa findet er seit dem Mittelalter Verwendung. Sandarak ist auch eine häufig für die Herstellung von Räucherwerk genutzte Substanz, der eine beruhigende und entspannende Wirkung nachgesagt wird.